Kommunal und Kommunalabgabenrecht
22.03.2013
VG Mainz, Beschl. v. 16.08.2012, Az. 1 L 921/12
1. Sachverhalt
Die Eltern eines kleinen Kindes wollten dieses in einem evangelischen Kindergarten ihrer Stadt unterbringen. Der – freie – Träger lehnte diesen Antrag ab, weil die Eltern des Kindes lediglich die von der evangelischen Kirchgemeinde B angewandten Vergabekriterien sämtlich erfüllten.
Daraufhin versuchten die Eltern, das zuständige Jugendamt der Stadt, in dem die Kirchgemeinde ihren Sitz hatte, als Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu verpflichten, darauf hinzuwirken, dass die Kirchgemeinde den Platz an ihr Kind vergibt. Das Gericht hat diesen Antrag im Ergebnis abgelehnt.
2. Die Entscheidung: Nach § 10 Abs. 1 S. 1 KiTaG habe das Jugendamt zwar auf den anerkannten Träger der freien Jugendhilfe hinzuwirken, dass die im Rahmen der Bedarfsplanung vorgesehenen Kindertagesstätten errichtet und betrieben werden. Die Befugnis des Jugendamtes beschränke sich gegenüber diesem freien Träger der Jugendhilfe jedoch lediglich darauf, sein Einwirken hinsichtlich der „Errichtung“ und des „Betriebs“ der betreffenden Kindertagesstätte erfolgen kann. Ein Einwirken des Jugendamtes auf den jeweiligen Träger der freien Jugendhilfe in Bezug auf Aufnahme und Auswahl der Kinder ist ausdrücklich nicht vorgesehen und findet sich auch an sonstiger Stelle des KiTaG nicht.
Das Jugendamt ist daher nicht berechtigt, durch hoheitliche Maßnahmen den freien Träger eines Kindergartens zur Aufnahme bestimmter Kinder in rechtlich bindender Weise zu verpflichten.
Zwar sei das zuständige Jugendamt vorliegend durchaus verpflichtet gewesen, auf die evangelische Kirchgemeinde B im Hinblick auf das Begehren des Antragstellers einzuwirken. Dieser Verpflichtung sei er auch nachgekommen. Jedoch könne letztendlich nicht durch hoheitlichen Zwang der freie Träger zu einer Vergabe des Kindergartenplatzes angehalten werden. Auch über das Wunsch- und Wahlrecht gemäß § 5 Abs. 1 SGB VIII könne ein solcher Anspruch durch den Träger der Jugendhilfe nicht gegenüber dem Träger der freien Jugendhilfe durchgesetzt werden.
3. Bedeutung der Entscheidung
Die Bedeutung der Entscheidung liegt vor allem darin, dass der Träger der freien Jugendhilfe nicht durch Verwaltungsakt des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe angewiesen werden kann, bestimmte Kinder aufzunehmen oder auch abzulehnen. Die Rechtslage in Sachsen nach dem SächsKitaG ist vergleichbar derjenigen in Rheinland-Pfalz:.
Nach § 9 Abs. 2 SächsKiTaG beschränkt sich die Befugnis des Jugendamtes gegenüber dem Träger der freien Jugendhilfe lediglich darauf, auf die „Errichtung“ und den „Betrieb“ der betreffenden Kindertagesstätte einzuwirken; nach der Intention des Gesetzes sollen dabei sogar Kitas vorrangig von Trägern der freien Jugendhilfe (Elterninitiativen, private Träger, Betriebe etc) gegründet und betrieben werden (§ 9 Abs. 3 SächsKitaG). Ein Einwirken des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe auf die Entscheidungen der freien Träger hinsichtlich Aufnahme und Auswahl der Kinder ist in § 9 Abs. 2 SächsKiTaG ausdrücklich nicht vorgesehen und findet sich auch nicht an anderer Stelle des Gesetzes. Allenfalls hat er darauf zu achten, dass die Aufnahmeentscheidungen unter Beachtung der Grundrechte der Kinder (Diskriminierungsverbot) erfolgen.
Damit besteht kein Recht der Antragsgegnerin, unmittelbar (Erfordernis einer Zustimmung) oder mittelbar (z.B. durch Verweigerung der Betriebskostenanteile nach § 14 SächsKitaG) den freien Träger eines Kindergartens zur Aufnahme bestimmter Kinder zu verpflichten.
Folglich stehen §§ 9 Abs. 2 SächsKitaG und § 9 Abs. 1 2. Anstrich der Kita-Satzung jeder Vereinbarung zwischen dem Eigenbetrieb der LHS Dresden und den Trägern der freien Jugendhilfe entgegen, die deren Aufnahmeentscheidung von einer Zustimmung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe abhängig macht.
Dresden, 22.03.2013
Rechtsanwalt Lothar Hermes, Fachanwalt für Verwaltungsrecht
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